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Michael Gerber

Hanau – und die Würde des Menschen

11.03.2020

Die Trauerfeier am 4. März in Hanau hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Nur schwer lässt sich ermessen, welche Wunden im Leben der Familien bleiben, die den Bruder, die Schwester oder auch die Mutter von zwei kleinen Kindern verloren haben. Vor diesem Hintergrund haben mich die Ansprachen der drei Angehörigen der Opfer sehr bewegt. „Wir sind Menschen, mitten in der Gesellschaft, Menschen aus Hanau und wir appellieren an ein friedliches Miteinander“ – so der Grundton dieser drei Reden.

Woher kommt die Kraft, in so einem Moment existenzieller persönlicher Betroffenheit vor so großer Öffentlichkeit das Wort zu ergreifen? Mein Eindruck: Da haben Menschen, deren Familien einst aus fernen Ländern gekommen waren, längst ihren Platz in der Gesellschaft gefunden. Aber hier war noch weit mehr erfahrbar. An einem sehr wesentlichen Punkt sahen sich diese jungen Menschen herausgefordert, eine sehr aktive Rolle zu übernehmen. Mit ihren Worten und mit der Haltung, die sich darin gezeigt hat, haben sie uns einen wesentlichen Impuls geliefert für die Frage, wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft gelingen kann. Ich glaube, das Bewusstsein, hier eine existenziell wichtige Botschaft zu haben, hat ihnen die Kraft gegeben, das eigentlich Unmögliche zu tun: In der eigenen Betroffenheit, im eigenen Leid haben sie das Wort ergriffen zu einem Appell für die unbedingte Würde des Menschen.

In den Gesprächen, die ich im Anschluss an die Trauerfeier mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Initiativen führen konnte, wurde mir bewusst, wie viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und gesellschaftlichen Kontexten in Hanau sich dafür nachhaltig engagieren, teilweise seit vielen Jahren. Jedenfalls bemerke ich bei mir, dass ich seit jenem Abend in Hanau noch einmal anders auf die Menschen schaue, deren Familien einst aus der Ferne zu uns kamen. Sie haben mir etwas zu sagen. Sie schärfen meinen Blick für die Wirklichkeit dieser Welt. Sie haben eine Botschaft für uns. Die Fastenzeit kann ein Anstoß sein, aufmerksamer hinzuhören.

Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda

 Foto: pixabay.com

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