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Christine Lieberknecht

Die Brombeere

23.10.2024

Wer hätte gedacht, dass die begehrten schwarz-pink-roten Beeren am Gartenzaun aus Kindertagen einmal zum schillernden Begriff politischer Debatten taugen würden!

Seitdem der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte die sich aus den aktuellen Landtagswahlergebnissen von Sachsen und Thüringen ergebende Regierungsoption für CDU, SPD und das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ob ihrer politischen Farben mit einer Brombeere verglich, scheiden sich an dieser Beerenfrucht die Geister.

Die Vorstellung, dass die CDU eine Zusammenarbeit mit der einstigen Begründerin der Kommunistischen Plattform Sahra Wagenknecht eingehen könnte, irritiert in unserer westlich geprägten Parteienlandschaft in höchstem Maße.

Aber auch an der Parteispitze des BSW erfüllt der Pragmatismus, mit dem ihre Landtagskollegen in den frisch gewählten Landtagen einem Regierungsbündnis mit Christ- und Sozialdemokraten entgegenstreben, die Parteigründerin und zentralistisch agierende Vorsitzende mit großer Skepsis, denn Wagenknecht hat bereits die Bundestagswahlen 2025 als ihr wichtigstes Ziel im Blick.

Zu viele Kompromisse in den Ländern könnten ihrem, auf klare Opposition aufbauenden Wahlkampf im kommenden Jahr schaden, so jedenfalls eine der gängigen Mutmaßungen im Hinblick auf das Bundesinteresse des BSW. Von Begeisterung über das, was da gerade auf Länderebene versucht wird, also weit und breit keine Spur.

Dennoch gilt: Niemand kann das Volk solange wählen lassen bis einem die Ergebnisse passen. Aus den vorhandenen, vom Souverän durch Wahl bestimmten Mehrheiten heraus eine Regierung zu bilden, ist Verfassungsauftrag. Die Verfassungen in den Ländern lassen ebenso wie das Grundgesetz keinen Zweifel daran, dass für die Bildung von Regierungen im Zweifelsfall nicht die Beschlüsse von Parteien, sondern allein der von den Verfassungen vorgegebene Status des Abgeordneten entscheidend ist. Wie nicht nur Juristen wissen, ist Nötigung von Mandatsträgern sogar strafbewährt.

Es sind die gewählten Abgeordneten, die mit Annahme ihres Mandats zugleich Vertreter des ganzen Volkes und nicht nur ihrer politischen Weggefährten und eigenen Wählerschaft sind. Aus gutem Grund sind sie an keinerlei Aufträge und Weisungen gebunden, sondern allein ihrem Gewissen verpflichtet.

Damit legen Grundgesetz und Länderverfassungen die Basis, auf der Abgeordneten „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“ auch in einer „Brombeere“ die Suche nach der „Stadt Bestem“ gelingen sollte. Unsere Gebete und Fürbitten können dabei helfen.

Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.

Foto von Christel (ChiemSeherin) auf pixabay.com

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