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Magdalena Kiess

Ostern – (k)eine göttliche Komödie

03.04.2024

Kurz vor Ostern bin ich durch einen Zufall auf Dantes „Göttliche Komödie“ gestoßen. Ich hatte sie vor Jahren schon einmal gelesen, aber ehrlicherweise nie ganz für mich erschlossen. Als ich nun wieder in dem Opus selbst und in ein paar Artikeln darüber las, ist mir erst die bemerkenswerte Analogie zu dem aufgefallen, was wir an Ostern feiern: Den schweren Gang „in das Reich des Todes“ und davon ausgehend die Rückkehr ins Leben – Auferstehung!

Sehr knapp zusammengefasst geht in dem mittelalterlichen Werk der Protagonist Dante nämlich ebendiesen Weg. Er befindet sich plötzlich – und wohl nicht ganz zufällig am Vorabend des Karfreitags – in einem dunklen, beängstigenden und undurchsichtigen Wald, ohne sich erinnern zu können, wer oder was ihn dorthin gebracht hat. Wilde Tiere versperren ihm die Wege und er gerät immer weiter in die Untiefen von Verwirrung und Furcht, als ihm der Dichter Vergil erscheint, der ihm zum Begleiter und Weisheitslehrer wird. Ihr gemeinsamer Weg führt sie immer weiter ins Innere der Erde und an den Eingang zur Hölle. Je tiefer die beiden Wanderer die Kreise der Hölle durchschreiten, desto düsterer werden die Gestalten, denen sie begegnen. Im Erdmittelpunkt stoßen sie auf den Endgegner: Luzifer. Um der Hölle wieder zu entkommen, müssen beide mitten hinein ins Verderben und sich mit der eisigen Kälte und Gefahr, die von Luzifer ausgeht, konfrontieren. Erst als sie ihre Furcht überwinden über die Bestie hinwegsteigen, können sie weitergehen und erreichen schlussendlich das Paradies – am Morgen des Ostersonntags.

Was hier nach einem märchenhaften und österlichen Happy End klingt, ist sowohl im Buch als auch im wahren Leben harte Arbeit. Vielleicht haben Sie sich ja auch schon Mal in einem „dunklen Wald“ der Verwirrung wieder gefunden, in dem Ihnen dann zu allem Überfluss von der einen oder anderen inneren Stimme („wilde Tiere“) der Blick für einen möglichen Weg verstellt wurde. Dann heißt es, sich erst recht mit der Situation zu konfrontieren und bis in ihr Inneres vorzudringen, um ihr ihren Schrecken zu nehmen und sie zu überwinden.

Auch in der Bibel finden wir dieses Motiv, etwa im Buch Numeri, als das Volk Israel auf dem Weg aus der Knechtschaft Ägyptens durch die Wüste zieht. Die Menschen murren und wollen lieber wieder zurück in ihre gewohnte Umgebung. Auf ihrer Reise stoßen sie zudem auf Giftschlangen. Viele werden gebissen, manche sterben sogar daran. Mose bittet Gott, sie von den Giftschlangen zu befreien. Das tut er jedoch nicht, sondern sagt zu Mose: „Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht“ (Num 21,8).

Das könnte bedeuten: Um mit den wilden Tieren und Giftschlangen meines Lebens, also um mit dem, was mich beißt und gefährdet, fertig zu werden, muss ich sie nicht meiden oder abtöten. Ich muss sie vielmehr anschauen: Der Realität ins Auge sehen. Dann sind Veränderung und ein Neuanfang möglich.

Zwar ist die „Göttliche Komödie“ nicht biblisch, doch sie ist für mich in den letzten Tagen auch in diesem Sinne zu einer Ostererzählung geworden: Der Karfreitag wird zum Bild für eine radikale Schau der eigenen inneren Tode und Abgründe. Ist das „vollbracht“, kann ein neues Leben beginnen und Ostern werden.

Solch ein Gedanke findet sich auch im Jahresmotto der Schönstattbewegung: „In den Rissen schaffst du Raum“. In der Erklärung dazu heißt es: „Wir dürfen und wollen nicht an den Rissen und Brüchen vorbeischauen. Wir glauben, dass durch das Liebesbündnis gerade auch diese zu Einbruchstellen der Gnade und zur Tür werden, durch die Gott uns die Wege in die Zukunft zeigt.“

Da schwingt die Hoffnung mit, dass durch das Hinschauen auf und die bewusste Auseinandersetzung mit dem Unschönen und Unangenehmen, etwas Neues entstehen kann, weil uns vielleicht genau dann das Nötige für den nächsten Schritt raus aus der Dunkelheit gegeben wird und sich ungeahnte Räume öffnen. Dieses zuversichtliche Bewusstsein wünsche ich uns gerade jetzt in der Osteroktav.

Magdalena Kiess, Berlin
Theologin


                                    Foto von Joe (jplenio) auf pixabay.com

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