Christian Hennecke
Machtkampf zum Advent
18.12.2024
Liest man das Evangelium nach Lukas in diesen und den kommenden Weihnachtstagen, dann wird deutlich, dass der Autor das Ereignis der Menschwerdung in den Kontext der römischen Geschichte und seiner imperialen Machtpolitik stellt. Es geht um Krieg und Frieden, um die großen und die kleinen Potentaten. Es geht um die Gewalt, es geht um Frieden und Weltherrschaft.
Wie heute: Kämpfe und Stellvertreterkriege in Syrien, Gaza und im Libanon, in der Ukraine und anderswo. Große Potentaten in Ost und West. Kleine Machtkämpfe und Wahlkämpfe, bei denen nicht sichtbar wird, ob es um das Gemeinwohl oder ideologische Positionen geht.
Wie heute. Wie immer: Keine Hoffnung auf Gerechtigkeit, Lähmung in Friedensfragen. Und die Rede von der Wahrheit wird zum Instrument, die eigenen Fakes an den Menschen zu bringen und zu verwirren.
Nun könnte man lamentieren, sich ärgern über diese Zeit, einsteigen in diese Kämpfe, und sich auch deprimieren über die dysfunktionalen und missbrauchten Demokratien, über mangelnden Sinn für das Gemeinwohl. Könnte man, muss man aber nicht.
Denn dann würden wir genau jene Pointe verpassen, jene wirkliche Zeitenwende. Es ist eben nicht wirklich zu erwarten, dass es anders wird. Wir sind alle leicht triggerbar, versuchbar für dieses wilde Durcheinander, das sich mit uns und unter uns ereignet. Für die Kämpfe, für die erwachsene Kindergartenkultur.
Und doch kann diese Zeit von einer anderen Erwartung geprägt sein. Der Wandel geschieht damals wie heute nicht auf der Oberfläche, in der oft verrückten Weltpolitik der Mächtigen, die ohnehin schwer durchschaubar ist.
Advent hingegen beschreibt eine andere Perspektive, die existenziell und auch politisch anders handeln lassen wird. Hier spricht Gott sein Leben in das Leben der Menschen. Hier verheißt Gott eine andere Zukunft des Menschseins, im Miteinander, in Gerechtigkeit, in Frieden.
Aber diese Verheißung will erst in mir, in dir klingen und will eine Umkehr auslösen. Adventliches Sehen sieht dann neu, dass inmitten des Immer-selben in und zwischen Menschen Neues geschieht. Das Kommen seines Reiches zu entdecken – und die Wege dafür zu bereiten, darum kann es nur gehen. Daran lassen wir uns in diesen Tagen in den Worten Johannes des Täufers erinnern. Und im neuen Handeln, in den vielen aufmerksamen Begegnungen, in den vielen Menschen, die mit Solidarität und Leidenschaft in Schulen, Kindergärten, sozialen Brennpunkten und auch an den Konfliktorten dieser Welt Liebe üben – da wird die Herrlichkeit Gottes in einem Augenblick sichtbar. Und sie hält die Sehnsucht wach nach einer anderen Welt mitten in dieser Welt, in der die Herrlichkeit Gottes im Leben der Menschen aufscheint. Wo sonst?
Christian Hennecke
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