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Christian Hennecke

Mut zu einer anderen Vision

01.01.2025

Zu vertrauen oder nicht zu vertrauen, das ist hier die Frage. Das ist die eigentlich entscheidende Frage, die sich am Anfang dieses neuen Jahres stellt. Vertrauen wir? Ich tue es. Ich vertraue den Möglichkeiten echter Politik, ich traue der Fähigkeit zur Mentalitätswende hin zu Mut und Kreativität, zu wagnisreichen Schritten. Ich vertraue darauf, dass nicht Ideologien die Pragmatik notwendigen Handelns überdecken. Ich vertraue auf die Fähigkeit der Beziehungen auch zwischen den Menschen unterschiedlicher Auffassungen – und auf die Fähigkeit zum Kompromiss. Ich vertraue darauf, dass Menschlichkeit sich den Weg bahnt, in kleinen, im Großen.

Ja, und ich weiß, das ist ein Wagnis. Und ich weiß natürlich auch, dass im Reich Putins und im Reich Trumps andere Maßstäbe gelten. Ich weiß, dass Kriege wie der in der Ukraine oder die Kampfhandlungen im Nahen Osten gegen dieses Vertrauen sprechen. Ich weiß auch, dass wir in Machtspielen eingebunden sind, von denen wir höchstens die Spitze des Eisbergs überhaupt wahrnehmen. Ich weiß, dass angesichts dieser Übermacht zerstörerischer Machtmissbräuche auch andere Handlungsmöglichkeiten existieren.

Ich könnte im Kleinen und im Großen mitspielen: Menschlichkeit zurückstellen und mich rücksichtslos durchsetzen. Ich könnte mich verlieren im Populismus harscher Urteile – ich könnte die Wirklichkeit meinen Interessen und Ideologien unterordnen. Ja, und ich könnte mich in Verschwörungsnarrativen verlieren – ich könnte lügen, und mit meinen Blasen meine eigene Welt gründen – gegen andere.

Worin gründet dieses Vertrauen, wenn es denn nicht naiv und oberflächlich ist? Darf ich glauben, dass die Wirklichkeit, in der ich lebe, sinnvoll ist, dass sie trägt? Dass ich gewollt bin wie mein Nächster, fremd und seltsam, oder vertraut und befreundet? Christen sprechen hier von der Menschwerdung: die göttliche Logik verbindender Liebe hat sich inmitten der Dunkelheit eingenistet und kann nicht überwurden werden. Glaube ich dies, egal ob mit oder ohne religiösen Vorzeichen, weiß ich um eine letzte Getragenheit und kann vertrauen.

Das Gegenteil lebt vom Recht des Stärkeren, von der Missachtung der Menschenwürde, von der Zerstörung jedweden Vertrauens, von der Vernutzung und Ausbeutbarkeit jeder Beziehung. Das Gegenteil lebt von der Ideologisierung eigener Ideale, wie hehr sie auch immer scheinen. Das Gegenteil ist Selbstzerstörung mit Ansage – es ist diabolisch, es verwirrt und lebt von der Angst und der Panik einer letzten Unsicherheit.

Da wir eingeladen sind, in diesem heiligen Jahr 2025 „Pilger der Hoffnung“ (Papst Franziskus) zu sein, legt sich eine Gewissenserforschung und vielleicht auch  innere Zeitenwende nah: die Wende zur Hoffnung, zum Vertrauen und damit zum Wertvollsten, was im persönlichen Leben wie in der Politik, im wirtschaftlichen Handeln wie im gesellschaftlichen Engagement zählt. Und dann kann passieren, dass Kreativität und neue Lösungen überraschend deutlich machen, dass die Geistkraft in und durch uns immer auch das Angesicht der Erde erneuen kann.

Bekehren wir uns mutig zu dieser Vision?

 Christian Hennecke


Foto:  WOKANDAPIX pauf pixabay.com

 

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