Christine Lieberknecht
Demokratie ist kein Wunschkonzert
12.02.2025
Die Heftigkeit, mit der vor den Bundestagswahlen nicht nur wechselseitige Vorwürfe unter den Parteien gegeneinander erhoben werden, sondern „Aktivisten“ mitunter zur Gewalt gegen Parteibüros und Wahlkampfstände aufrufen, Vandalismus zur Zerstörung von Plakaten und Androhung gewalttätiger Angriffe auf Kandidaten, die nicht die eigene Meinung teilen, Raum greifen, hat für mich einen „Hauch von Weimar“.
Ja, es ist so: CDU und CSU haben für die Zustimmung zu einem Antrag im Deutschen Bundestag sehenden Auges Stimmen der völkisch-nationalen AfD in Kauf genommen. Die Empörung bei den verbliebenen Ampelparteien über diesen Tabubruch ist groß.
Groß sind auch die mehrheitlichen Erwartungen in der Bevölkerung nach politischer Handlungsfähigkeit des Staates und der Enttäuschung der Unionsfraktionen darüber, dass es dazu über Monate unter Demokraten im Bundestag offenbar keinen Einigungswillen gegeben habe.
Wäre es da nicht gerade jetzt für Demokraten überzeugender, einen kühlen Kopf zu bewahren und in aller Nüchternheit sich den offensichtlichen Problemen der Menschen zu stellen und deren Sorgen, Nöte und Vorschläge zur Veränderung von Politik ernst zu nehmen? Wäre es nicht die wirksamste Verteidigung der Demokratie, wenn die parteipolitischen Kontrahenten der demokratischen Mitte nach gegenseitigen Vorwürfen und Streit Initiativen zur Verständigung ergreifen würden, statt weiter zu spalten?
Und steckt nicht in jedem Ruf nach der Verteidigung „unserer“ Demokratie auch das Problem: Wer gehört zu „unserer“ Demokratie und wer nicht? Wer bestimmt darüber? Wessen Meinung steht für „unsere“ Demokratie und wessen Meinung gilt als unvereinbar mit „unserer Demokratie“? Wer ist ein guter Demokrat? Und wer ein Feind?
Unser Grundgesetz schreibt die Achtung der Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit fest. Es gelten der Rechtsstaat und das Recht auf freie Meinungsäußerung. „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ (Art 21 GG). Nicht mehr und nicht weniger. Der Souverän ist das Volk und niemand anderes. Gewählte Abgeordnete sind Vertreter des Souveräns. Sie sind „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“(Art 38). Damit ist der verfassungsrechtlich gebotene Kern „unserer Demokratie“ klar benannt. Die Konzentration auf diesen Kern würde es uns erleichtern, „unsere Demokratie“ als das zu sehen, was sie ist: eine auf verantwortliche Entscheidungen zielende Ordnung politischer Freiheit und kein Wunschkonzert.
Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.
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Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, für diesen einfühlsamen, aktuellen, politischen Kommentar. Bravo liebe Ministerpräsidentin. Ich war 25 Jahre als Klinkseelsorger für die Ökumene tätig als Diakon. Von daher weiß ich, dass manchmal etwas Abstand, im Ruhestand genügen kann um die Sachverhalte nüchtern und mit offenen Augen zu betrachten.
Dass Sie sich nun dazu entschlossen haben ein paar Zeilen zur „Wahl-KAMPF-Misere“ zu schreiben rechne ich Ihnen sehr hoch an. Ich unterschreibe hiermit Ihren Kommentar, und Winke Ihnen mit dem Zaunpfahl aus dem deutschen Westen aus Gundheim, bei Worms wohlgesinnt zu. „Gott sei dank für ihr Engagement für die politische „Mitte“ in der BRD. Seien Sie weiterhin ein Segen Gottes für unser Land. Solche Engel, wie Sie, sind bei dem „animalischen Wahl-Chaos“ dringend notwendig, um uns vor dem Zerfall der gute Sitten zu retten. bleiben Sie wachsam im Bezug auf die Deutsche Sprache in der politischen Begegnung, die schamlos und aggressiv zum Himmel schreit. „Der Ton macht die Musik“, sagen die Menschen vor den Fernsehern. Sie wollen sich nicht noch einmal
mit Rechtsaußen und Linksaußen in eine Ecke drängen lassen, in der aus der sogenannten demokratischen Mitte, Menschen beleidigt und diffamiert werden, um mit billigen Parolen und gegenseitigen Beleidigungen, Stimmen beim Volk zu gewinnen.
„Für die Zukunft hilft uns nur: Anstand, Toleranz und auch Zuhören (!) in unserer Deutschen Sprach-Kultur“ So würden wir, verantwortlich vor unseren Kindern, vorbildliche Poli-tik betreiben auf dem Niveau vom Menschen, der noch heute, den Namen „Homo Sapiens“ verdient! Der Himmel schenke uns Reden als Segen.
Lieber Herr Schreiber, haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihren unterstützenden Kommentar und für Ihre Ermutigung. In der aktuellen Situation, die wir gegenwärtig in Deutschland und Europa realisieren müssen, gilt wohl noch einmal mehr, das jetzt nüchterne Klarheit und Konzentration im politischen Handeln geboten sind. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist die Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Mit freundlichen Grüßen,
Christine Lieberknecht