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Unter dem Schriftzug

Eva-Maria Baumgarten

Verwandtschaft sucht man sich nicht aus

Für mehr geschwisterliches Miteinander

27.09.2023

Es war eine besondere Feier, als am vergangenen Samstag drei Frauen und ein Mann im Fuldaer Dom zum Pastoralen Dienst im Bistum Fulda gesandt wurden. In der Gestaltung schlicht und doch tief bewegend war dieser Gottesdienst, der mich in vielfältiger Weise berührt hat. Zuerst erinnerte mich diese Feier an meine eigene Sendung in den pastoralen Dienst. 12 Jahre ist das her. Die Befragung nach der Bereitschaft zum Dienst in der Kirche wird heute auch zur Frage an mich: Könnte ich heute – wie damals – aus ganzem Herzen mein „Ich bin bereit“ sprechen? Kann ich es sprechen in einer Kirche, die ich in unseren Breitengraden manchmal wie gelähmt wahrnehme und die scheinbar um ihr Selbstverständnis ringt? Bin ich weiterhin zum Dienst in einer Kirche bereit, von der ich mir wünsche, hier und da viel lauter das Evangelium in die Welt zu sagen und den Finger in die Wunden des Heute zu legen?

Und dann sehe ich diese vier jungen Leute, die mir in dieser Umbruchszeit Mut machen. Mut, weiterzugehen und mich weder von gesellschaftlicher noch kirchlicher Schwarzmalerei aus der Bahn werfen zu lassen. Ganz im Gegenteil: Ich entscheide mich, innerlich in das „Ich bin bereit“ einzustimmen und will mich neu senden lassen. Und dann die erste Frage: „Sind Sie bereit, aufgrund Ihrer Taufe, Ihrer Firmung und Ihrer persönlichen Berufung im Auftrag des Bischofs mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kirche Gottes geschwisterlich zusammenzuarbeiten?“

Was für ein Wort an diesem Samstagvormittag, unmittelbar vor der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe und nur wenige Tage vor der ersten Sitzung der Weltsynode! „… im Auftrag des Bischofs… geschwisterlich zusammenzuarbeiten…“ Es geht gerade viel um die Bischöfe – leider meist weniger um das, was sie an Gutem bewirkt haben und bewirken, sondern um Versäumnisse, Verfehlungen, Fehler. Ich möchte nicht missverstanden werden: Verfehlungen gehören aufgedeckt, im Besonderen, wenn es um Missbrauch von Kindern, Jugendlichen oder Schutzbefohlenen geht. Aber gehört es sich in einer geschwisterlichen Kirche, von der hier und andernorts die Rede ist, nicht auch dazu, dass man jedes Glied der „Familie“ wertschätzt und ihm mit Respekt begegnet. Das gilt selbstverständlich für alle Beteiligten und jede Seite. Wer Geschwister hat, weiß, dass im Miteinander schon mal „die Fetzen fliegen“ und nicht immer alles „eitel Sonnenschein“ ist. Aber wenn es darauf ankommt, dann sind hoffentlich die „Familienbande“ stärker als das Trennende. Eine neue Haltung der Geschwisterlichkeit wünsche ich nicht nur den Bischöfen, die gerade in Wiesbaden zusammensitzen und den Frauen und Männern, die sich in den kommenden Wochen in Rom treffen, sondern jedem Menschen, der sich als Teil der Kirche versteht. Welche Strahlkraft erhielte das Evangelium, wenn wir miteinander solch eine Geschwisterlichkeit leben? Nicht aus eigener Kraft, sondern weil wir als Getaufte und Gefirmte in Christus Schwestern und Brüder sind.

Noch einmal zurück zum vergangenen Samstag. Da stehen sie nun, die vier zu beauftragenden Pastoralen MitarbeiterInnen. Einzeln werden sie beim Namen genannt und treten dem Bischof gegenüber. Zur Sendung ergreifen sie einzeln und nacheinander gemeinsam mit dem Bischof dessen Bischofsstab und lassen sich segnen. Mich berührt dieser symbolträchtige Moment, in dem deutlich wird, dass wir auch als Pastorale MitarbeiterInnen auf unsere Weise Anteil an der Hirtensorge und dem Leitungsamt des Bischofs haben.

Doch dann wird in der Feier noch eins draufgesetzt. Nach der Sendung der Einzelnen bittet der Bischof die Vier nochmals zu sich und lässt sie gemeinsam den Bischofsstab umgreifen. Wie schön! Den Mitfeiernden wird vor Augen geführt, wie Kirche ins Morgen gehen kann: Sorge um das Volk Gottes kann keiner alleine tragen, weder der Bischof noch seine Mitarbeitenden, weder der Pfarrer noch der Diakon, weder der Pastoralreferent noch die Gemeindereferentin, weder die Ehrenamtliche im Verwaltungsrat noch ein Engagierter im Pfarrgemeinderat.  Kirche wird zukunftsfähig sein, wenn sie im geschwisterlichen Miteinander um eine Konkretisierung des Evangeliums im Heute ringt und gemeinsam auf dem Weg bleibt. Aus diesem Bewusstsein den pastoralen Dienst zu gestalten wünsche ich nicht nur den vier neuen KollegInnen, sondern auch den deutschen Bischöfen, den Teilnehmenden der Weltsynode, den Mitgliedern der kirchlichen Gremien und Dienstgemeinschaften, Ihnen und mir.

 

Eva-Maria Baumgarten

Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Michael Hohe Rhön | Bistum Fulda


                       Foto: Gerd Altmann – pixabay.com

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