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Michael Gerber

Kulturüberschreitend

08.01.2025

Dem Matthäusevangelium zufolge fragen „Sterndeutern aus dem Osten“ nach dem „neugeborenen König der Juden“. (vgl. Mt2,1f). Mit großer Wahrscheinlichkeit gehören sie einer anderen Kultur und einer anderen Religion an als diejenigen, auf die sie in Jerusalem und Bethlehem stoßen. Die wichtige Botschaft: „Dieses Kind ist nicht irgendein Kind, sondern hat eine besondere Bedeutung für das ganze Gottesvolk“ kommt hier „von außen“, aus dem Mund fremder Menschen. 

Hier gibt es einen eigenartigen Bogen zum Ende des Matthäusevangeliums. Angesichts des Todes Jesu werden es wiederum Fremde sein, diesmal „der Hauptmann und mit ihm zusammen die Männer, die Jesus bewachten“, von denen das entscheidende Bekenntnis des Evangeliums überhaupt kommt: „Wahrhaftig, Gottes Sohn war dieser.“ (Mt 27,54)

Was wir selbstverständlich Jahr für Jahr lesen, mag für die Christen zur der Zeit, in der dieser Text entstand, eine Herausforderung gewesen sein. Angehörige orientalischer Mysterienkulte waren für das Christentum eine große Konkurrenz. Römische Soldaten wurden angesichts der ersten Verfolgungswellen als große Bedrohung erlebt. In diese Situation hinein fällt die Botschaft des Matthäusevangeliums: Die Begegnung mit den Fremden – hier den Sterndeutern oder den Soldaten – lässt uns tiefer begreifen, wer Jesus ist.

Wir haben heute Anlass genug, diese herausfordernde Botschaft des Matthäusevangeliums neu zu entdecken angesichts der Tendenzen, Grenzen im wörtlichen wie im übertragenen Sinne dicht zu machen. Die Sternsinger, die in diesen Tagen unterwegs sind und auf die Not von Kindern in fremden Kulturen aufmerksam machen, sie können uns wachsam dafür werden lassen, wo auch uns heute in der Begegnung mit Menschen, die uns zunächst fremd oder sogar befremdlich erscheinen, eine wesentliche Botschaft geschenkt wird.

Bischof Dr. Michael Gerber, Fulda


Bild von Enrique auf Pixabay

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