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Ein Junge erhebt vor einem Mikrofon seine Stimme.

Christine Lieberknecht

„Empört euch! Engagiert euch!“

31.01.2024

Der doppelte Aufruf „Empört Euch! Engagiert Euch!“ gehört für mich zu dem großen Vermächtnis, welches der frühere Häftling des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Buchenwald und spätere französische Diplomat bei der UNO, Stephane Hessel nach seinem Tod 2013 der Nachwelt hinterlassen hat. Im Alter von 93 Jahren schrieb Hessel mit seinem 2010 veröffentlichten Essay „Empört euch!“ einen Bestseller. Insbesondere  junge Menschen fühlten sich durch Hessels Worte angesprochen. Denn diese kleine, damals für 3,99 Euro erhältliche Kampfschrift des französischen Autors war ein „Buch der Hoffnung“ gegen die von vielen empfundene Perspektivlosigkeit während der Finanz- und Wirtschaftskrise und einen damals weit verbreiteten Pessimismus.

Der Aufforderung zur Empörung folgte nur kurze Zeit später im Jahr 2011 im Gespräch von Stephane Hessel mit dem Journalisten Gilles Vanderpoorten die Ermutigung  „Engagiert Euch!“.

Ja, Menschen können etwas verändern. Sie können etwas bewegen. Menschen können sich beteiligen an den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Debatten im Land. Das ist nicht nur eine Möglichkeit, von der seit Jahresbeginn viele Menschen in unserem Land Gebrauch machen. Vielmehr gehört aktives Engagement von Seiten der Demokraten zum Lebenselixier der Demokratie.

Die „Demokratie verträgt kein Ohne-mich. Sie lebt von dem Mit-mir“, rief schon der erste Bundespräsident Theodor Heuss den Menschen im Land zu und forderte sie auf, die Demokratie durch ihren Einsatz mitzugestalten. Dazu gehören für mich die Proteste aus den über viele Jahre zu Unrecht vernachlässigten ländlichen Räumen ebenso wie die spontanen Demonstrationen vieler Tausend Menschen im gesamten Bundesgebiet gegen die drohende Gefahr, dass im Ergebnis der kommenden Landtagswahlen in drei ost- und mitteldeutschen Bundesländern mit der AfD eine in diesen Ländern vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ eingestufte Partei politikbestimmende Bedeutung bekommen könnte. Demokraten müssen den Antidemokraten die Stirn bieten. Sichtbar zu machen, mit welch großem und vielfältigen Potential sich Menschen verschiedenster Herkunft, Professionen, Generationen, Kulturen, Religionen und Weltanschauungen Tag für Tag für ein gelingendes und funktionstüchtiges Gemeinwesen einsetzen, ist dabei für mich ein starkes Zeichen für ein weltoffenes, demokratisches und von Vielfalt geprägtes Land. Es gibt so viel Positives. Diese Vielfalt zu zeigen, darauf aufmerksam zu machen und dafür zu streiten lohnt sich. So wird unsere Demokratie auch wehrhaft bleiben.

Christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin von Thüringen a.D.

Foto von Jason Rosewell auf Unsplash.com

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