Gertrud Pollak
Leben lebt – Kardinal Lehmann
14.03.2013
Eine eigenartige, feine Atmosphäre entstand. Wohlwollende und auch traurige Stimmen aus allen möglichen Bereichen waren zu hören, nachdem die Gebetsbitte des Mainzer Bischofs für seinen Vorgänger, Kardinal Lehmann, öffentlich wurde. Sie prägte, zog große Kreise und wurde von sehr vielen gerne aufgenommen. Im Gedenken schauen dieser Tage ganz besonders viele auf das Leben eines großen Menschen. Eine Persönlichkeit, die weit über Deutschland hinaus der Kirche in der modernen Gesellschaft ein Gesicht gab, hatte leise erkennen lassen, dass jetzt die letzte Lebensstrecke anbricht – ein nicht selbst zu bestimmender Weg, der gegangen sein will und sollte. Ein anderes, neues Stück Leben!
Doch gerade was zum Tod führen mag, lässt vieles aufleben. Es ist eine ganz besondere Phase, die unzählige Menschen aufmerken lässt. Dieser andere Blick auf ein Menschenleben spiegelt nochmals viele Facetten an Wertschätzung. Mannigfaltige Erinnerungen werden wachgerüttelt an mehr als acht Jahrzehnte intensiv gelebten Lebens mit unermüdlicher Arbeit für mehr, als die eigenen Interessen. Ein weiter Horizont im Einsatz für den Glauben zeigt sich neu. Nicht nur die bleibenden Worte auf dem Bücherregal – die prägnante Stimme, das befreite und natürliche Lachen klingen nach. Sein ernstes, freundliches und dann wieder schelmisches Gesicht bleibt im Gedächtnis. Über Jahrzehnte spiegeln Medienberichte, öffentliche Auftritte und auch viele persönliche Begegnungen ganz unterschiedlicher Couleur, wofür dieser Kirchenmann steht und gelebt hat. Vielseitig reflektierte, differenzierte Argumente, streitbare, klare Worte und ermutigende Unterstützung haben zu unzähligen theologischen und gesellschaftlichen Fragen ganz eigene Schneisen für das Evangelium und Spuren zu Gott gelegt. Solches Leben kommt nicht nur aus brillanter Intelligenz, sondern immer auch aus einer besonderen Glaubenstiefe. Überallhin entstanden und entstehen Spuren für Gott im Heute.
Ganz unterschiedliche Begegnungen und Erfahrungen werden jetzt in unzähligen Mensch wach, wenn sie an diesen Mann, Priester, Professor und Bischof denken. Seine Art, Kirche in der Gesellschaft auf Augenhöhe menschlich sympathisch, intellektuell redlich und diplomatisch klug präsent zu halten, ist so nicht nachahmbar. Person und Aufgaben sind verschmolzen. Ein ausgefülltes, reiches Leben, bei dem vielen Gläubigen einfach auch der ganz natürliche Mensch Karl Lehmann schätzenswert und wichtig bleibt, hat seinen Höhepunkt erreicht. Dieses Leben lebt und wird weiterleben, auch wenn die letzten Schritte am Sonntag Laetare gegangen sind. Ich wünsche in Dankbarkeit – Freude in Gott!
Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin, Dezernentin für Schulen und Hochschulen
Foto: © Bistum Mainz