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Gertrud Pollak

„Aus Zweiflern Gläubige gemacht“

01.07.2020

Es war am selben Abend, in der gleichen ZDF-Nachrichtensendung. Zuerst die Meldung, dass wieder sehr viele evangelische und katholische Christen aus ihrer Kirche ausgetreten sind. Und dann schafft es einer, “aus Zweiflern Gläubige“ zu machen…

Denn – als weitere Meldung dieser Sendung folgte, dass der Liverpooler FC wieder englischer Meister ist – dazu dieses ansprechende Plakat: das Konterfei des begeisterten, strahlenden Meistertrainers Jürgen Klopp mit der Unterschrift „Aus Zweiflern Gläubige gemacht“.

Was hat der Kopf des Liverpooler FC geschafft? Der deutsche Trainer hat dem 30 Jahre währenden Fußball-Alptraum ein Ende gesetzt. Kaum zu glauben, dass der FC Liverpool jetzt wieder englischer Meister ist! In einer Stadt, „in der Fußball Religion ist“, wie die Medien meinten, gibt es nach Jahrzehnten des Bangens und Zweifelns wieder Mut und Menschen, die an ihren Fußballclub neu glauben können. Die eigene Identität hat wieder Kontur. Erinnerung auch an andere Erfolgsszenen der Stadt, wenn Klopp „der 5. Beatle“ genannt wird. Jetzt ist er einer der Größten dieser Stadt, aus der die vier Beatles kamen. Heute kein Rockstar, aber einer, der „aus Zweiflern Gläubige“ macht.

Dieses Plakat mit seiner überraschenden Botschaft prägt sich ein. Welche Vielfalt anderer Szenarien von Zweifel und Verzweiflung sind um uns? Auch wenn in Liverpool jetzt vor allem der Trainer gefeiert wird – Mannschaft und Fans gehören dazu. Allein kann niemand Zweifel und Sorgen von Menschen beseitigen oder sie gar zu neuen Überzeugungen wandeln. Dennoch braucht es wohl Menschen, die die Fähigkeit haben, alle Beteiligten zu sehen, alle hören zu wollen und dann an neue Ziele zu führen. Ohne klare Aussichten wird nichts zu neuer Chance oder gar zu einer begeisternden weiteren Intention, die Zweifel überwinden lehrt.

Gesellschaftliche und auch kirchliche Zustände lassen viele Menschen ohne Perspektiven. Konkrete Grenzerfahrungen, Ängste und reale Not trüben die Aussichten auf positive Änderungen. Unglaubwürdiges gibt es in der großen und kleinen Politik vor Ort. Wo sind die Botschaften, die verbinden und begeistern für eine Idee, die Besserung verspricht? Zweifel gibt es an dem, was an Kirche und Religion wahrgenommen und verstanden werden kann.

Glaubende oder gar religiös Gläubige kann man eigentlich nicht „machen“. Doch gibt es Ereignisse und Verhaltensweisen, die aufhorchen lassen; Geschehnisse, deren Ergebnisse so überzeugen, dass Glaubwürdigkeit hergestellt wird. Wünschen wir uns das nicht in Gesellschaft und Kirche?
Es ist bedenkenwert, dass die hohen Austrittszahlen aus Kirchen im gleichen Setting berichtet werden, wie dieses Fußballereignis und das Plakat. Ein Appell nachzudenken! Was fehlt, damit Zweifelnde zu Gläubigen – gar Gläubige für Evangelium und Kirche – werden können? Es greift viel zu kurz, auf kirchliche Strukturen, auf Amtsträger und veraltete Moralvorstellungen zu verweisen. Fehlt uns (schon) Gläubigen, was dieser Trainer konnte: Klarheit im Ziel und Identifikation mit dem Wesentlichen?

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt


                                     Foto: Screenshot vor dem  Fernseher

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