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Kathrin Karban-Völkl

Weg oder Ziel?

12.04.2023

Es gibt ein Zitat, welches mich seit einiger Zeit nicht mehr loslässt. Entdeckt habe ich es in einem wunderbaren Buch. Der Titel: „Großer Bär und kleiner Drache“. Der Inhalt: weise bis humorvolle Gedanken rund um das Leben in seiner leichten wie manchmal auch schweren Fülle. In meinem Lieblingszitat stellt Großer Bär (ein tapsiger Pandabär) dem kleinen Drachen eine Frage, die sicherlich jede und jeder schon einmal gehört hat: „Was ist wichtiger, der Weg oder das Ziel?“ Kaum lese ich die Frage, schon rattert mein Gehirn und wetteifert mit meinem Bauchgefühl um die beste Antwort. Aber irgendwie gibt es hier ja keine richtige, oder? Und selbst wenn, die Antwort des kleinen Drachen stellt jede der beiden Optionen in den Schatten. Denn auf die Frage nach Weg oder Ziel meint dieser: „Die Gefährten!“ Ach, dachte ich mir beim ersten Lesen, dass ich daran nicht gedacht habe! Wieder einmal ein wunderbares Beispiel, dass es sich lohnt, gedanklich den Rahmen zu sprengen und eine dritte Option in den Raum zu holen.

Kurz denke ich nach, weshalb mich das Zitat auch aktuell derart bewegt. Gerade jetzt, wo eine besondere Woche hinter uns liegt. Eine Woche, in welcher es um die Fülle des Lebens, mehr noch um die Abgründe und die wundersamsten Höhenflüge ging und immer noch geht. Was passiert, wenn ich den Gedanken des kleinen Drachen über die Tage der Karwoche lege? Dann ergibt sich ein stimmiges Bild. Denn ja, es war ein Weg, der (spätestens) mit dem Palmsonntag begonnen hat. Und natürlich, es gab ein Ziel, wohin dieser Weg führen musste. Doch was (auch) zählt, sind die Menschen, die diesen Weg mitgingen. War ich eine von ihnen? Kurz denke ich über meine Kar- und Ostertage nach und merke, dass es darin ganz wichtige Momente gab. Momente, in welchen ich den Weg Jesu mitging. Mitfeiernd, mitbetend, mitwachend, mitleidend und, ja, mitauferstehend.

Wer weiß, vielleicht steckt in den Kar- und Ostertagen ein jesuanischer Auftrag, der weit über das Osterfest hinaus gilt: „Werdet zu Gefährt:innen! So wie ihr mich begleitet habt, so begleitet auch einander!“ Ja, ich gebe zu, es ist umstritten, Jesus Worte in den Mund zu legen, die uns heute so passen könnten. Aber sind das nicht Worte, die tatsächlich auch zum jesuanischen Denken passen? Wenn ja, dann geht es wohl darum, diesen Auftrag ernst zu nehmen und ihn dort zu leben, wo es mir möglich ist. Ob in der Erziehung meiner Kinder, wenn es heißt, diese bei ihren Ideen des Ausprobierens zu begleiten, ohne stets ein erreichbares Ziel einzufordern. Ob im Leben als Paar, wenn es darum geht, für den anderen mit zwei offenen Ohren da zu sein und das gemeinsame Unterwegssein zu genießen. Ob im Arbeitskontext, wenn mich Kolleg:innen mit dem Cappuccinolöffel aus meiner Aufgabenfülle locken und dazu einladen, gemeinsam kurz innezuhalten. Ja, vielleicht gilt der Auftrag sogar im Blick auf mein eigenes Unterwegssein. Mir selbst Gefährtin sein fürs Leben. Das wärs!

Welche Gefährt:innen mir die Liebsten sind? Nicht diejenigen, die meinen Weg pausenlos kritisieren, sondern jene, die einfach ein Stück mit mir gehen, mich ins Reden und auch Schweigen kommen lassen, mit mir manchen Stolperstein umgehen und mit Blick auf den Wegesrand sagen: „Schau, wie das Leben um dich blüht!“ Ja, von diesen Gefährt:innen nehme ich gerne ein paar und nehme mir vor, selbst eine solche zu werden. Die ersten Gefährt:innen der Kartage sind mir Vorbild genug. Mag sein, dass ich wie sie nicht immer den Mut haben werde, jeden Weg mitzugehen. Möglicherweise bin ich auch manchmal einfach zu müde, um bei meinen Mitmenschen am Ball zu bleiben oder hadere mit dem, was sich gerade im Leben der anderen abspielt. Eines aber weiß ich bestimmt: es lohnt sich, dem Leben zu trauen, selbst dort, wo es tot zu sein scheint. Halleluja!

Kathrin Karban-Völkl, Kemnath 


                                     Foto: Karban-Völkl

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