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Ein Engel mit frohem Gesichtsausdruck vor weihnachtlicher Dekoration.

Kathrin Karban-Völkl

Zweitname Hoffnung

13.12.2023

Als Kind habe ich immer darüber gestaunt, dass Menschen überall auf der Welt dieselbe Sekunde wie ich erleben. Irgendwann erzählte man mir von der Zeitverschiebung. Ab da wurde es kompliziert. Warum ich heute, da wir fast schon an der Krippe in Bethlehem angekommen sind, von Gleichzeitigkeit schreibe? Weil ich sie aktuell so stark wie selten zuvor erlebe. Und ja, sie fordert mich heraus.

Ob die Gleichzeitigkeit unserer Welt zugenommen hat? Ich glaube nicht. Was aber zugenommen hat ist die Menge an Informationen darüber, was gerade hier und da und noch ganz woanders geschieht. Und ganz gleich, was die Relativität der Gleichzeitigkeit dazu sagt, Fakt ist: Während ich hier sitze und schreiben darf, wünschen sich andernorts Menschen nichts mehr als ein sicheres Zuhause. Etwas zu essen, etwas anzuziehen, etwas Sicherheit, etwas mehr Menschenwürdiges. Die Tatsache, dass all diese Menschen weit weg sind, macht das Ganze nicht weniger schlimm.

Und dann gibt es ja auch noch die Gleichzeitigkeit vor meiner Nase. Während sich der Adventskalender Tag für Tag mehr leert und die weihnachtliche Vorfreude in den Augen der Kinder wächst, suchen wir als Pfarrei nach Worten und Zeichen, um uns von einem vierjährigen Kindergartenkind aus der Nachbarschaft zu verabschieden. Herzfehler, Routine-OP und plötzlich ganz viel Tränen, als die Nachricht kam. Wie solch ein Schmerz mit der Botschaft von Weihnachten zusammenpasst? Ganz ehrlich, hier war ich überfragt – und bin es bisweilen immer noch. Was mir schließlich geholfen hat, war ein Film. Einer von der Sorte, die einem mit berührenden Wortwechseln ins Herz fällt: „Obendrüber da schneit es“ von der Regisseurin Vivian Naefe aus dem Jahr 2012. Einmal ganz davon abgesehen, dass dieser Film auf wunderbare Weise vom Trubel rund um das Weihnachtsfest erzählt, gibt es vor allem ein Zitat, das jedes Mal aufs Neue mein Herz bewegt. Auf die Frage, ob es denn nicht irgendwie komisch sei, sich den ganzen Tag mit Gott zu beschäftigen, antwortet Wotan Wilke Möhring alias Pastor Gregor: „Ersetzen Sie mal Gott mit Hoffnung…“ Ach Wotan, denke ich mir jedes Mal, das haben sie dich schön sagen lassen. Mehr Theologie fürs Herz geht nicht! Und mehr Erleichterung im Umgang mit der Gleichzeitigkeit unseres Lebens gibt es wohl auch nicht.

Ja, es erleichtert mich, wenn ich Gott bei seinem Zweitnamen Hoffnung nennen darf. Hoffnung kämpft nicht gegen Warum-Fragen an. Hoffnung täuscht nicht hinweg über das, was einfach ist und schmerzt, wie es ist. Hoffnung ist kein frommer Wunsch und noch weniger eine fromme Vertröstung. Hoffnung ist eine Zusage für mein Hier und Jetzt: „Du darfst hoffen und du kannst es auch. Denn du bist ein Mensch. Gottgewollt und ihm ähnlich.“ Jedes Weihnachten wird Gott aufs Neue Mensch inmitten unseres Lebens, Gleichzeitigkeit hin oder her. Und wir sind eingeladen, es ihm gleich zu tun: Menschen zu werden, die mitfühlen, mitweinen, mitlachen, mittragen, mithoffen. Damit aus der Gleichzeitigkeit keine Gleichgültigkeit wird. Und damit die Hoffnung neu wachsen kann, die uns gleichzeitig zuflüstert: „Fürchte dich nicht!“

Kathrin Karban-Völkl, Kemnath – Texterin www.diewortmacherei.de


                                     Foto: Jason Goh auf Pixabay.com

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