Alexander Paul
Eine Vision von der Kirche für alle!?
16.08.2023
Wie andere 1,5 Millionen junge und jung gebliebene Menschen verbrachte ich die Nacht vom 5. auf den 6. August im Tejo-Parque in Lissabon, beim Weltjugendtag, ein Extrem der besonderen Art und Weise. Sechs Tage waren wir mit jungen Menschen aus ca. 190 Ländern in der wunderschönen Stadt Lissabon, um unseren Glauben zu feiern, um uns gegenseitig auszutauschen und um, für viele Gruppen ein nicht unwesentlicher Grund, den Papst zu sehen.
Wie immer bei einem solchen Moment ist man allein aufgrund der Masse der Menschen erst einmal überwältigt und lässt sich schnell von der Euphorie anstecken. Aber was bleibt vom Weltjugendtag, was nehmen wir mit nach Hause? Dabei meine ich nicht die unterschiedlichsten Geschenke und Tauschgegenstände aus aller Herren Länder, die hier Tradition sind. Auch nicht die vielen neuen Kontakte und Telefonnummern. Ich stelle mir die Frage: Was ist für mich die Botschaft dieses Weltjugendtages?
Ganz zentral hatte der Weltjugendtag und wenn wir ehrlich sind, hauptsächlich der Papst, zwei zentrale Botschaften, die mich direkt gepackt haben. Zum einen ist da, dass auch in den einschlägigen Medien häufig aufgegriffene Wort von der Kirche für alle. Und Ja, wer den Papst bei seiner Ansprache im Parque-Eduardo erlebt hat, konnte spüren, wie wichtig ihm diese Botschaft ist. Mit extra Feuer in der Stimme sprach Papst Franziskus von der „Mutter Kirche“, zu der alle eingeladen sind und die niemanden zurücklässt. Auch das er von der Menge mehrfach verlangte, die Worte „Todos (Alle)“ zu wiederholen, zeigte, wie sehr er uns diese Botschaft verinnerlichen wollte. Die Kirche eines Papst Franziskus soll eine Kirche sein, die für Alle offen ist.
Den zweiten zentralen Aspekt des Papstes, der weniger aufgegriffen wurde, nannte er in seiner Ansprache zur Vigil in der Samstag Nacht. Dort sprach er vom wiederholenden Scheitern im Leben und motivierte uns dabei, nicht stehen zu bleiben, sondern immer wieder aufzustehen. Worauf er aber einen weiteren Fokus legte, wieder einmal sprachlich, in der Lautstärke und Kraft wie er die Botschaft verkündet hat, ist eine damit verbundene Aussage. Wenn wir jemanden sehen der am Boden liegt, sind wir als Christen dazu verpflichtet ihm aufzuhelfen. Und nun das Wichtigste, dieser Moment, in dem wir einem anderen Menschen aufhelfen, ist der einzige Moment, in dem wir als Christen auf einen anderen Menschen herabsehen dürfen. Nur um einen anderen Menschen auf Augenhöhe zu ziehen, ist es erlaubt, von oben auf ihn herabzublicken.
Eine Kirche für Alle in der alle Menschen sich auf Augenhöhe begegnen und niemand auf den anderen herabblickt, finde ich eine sehr schöne Vision von der Kirche von Morgen.
Der Weltjugendtag zeigt uns dabei, dass es geht, dass aber auch noch ein weiter Weg vor uns liegt.
Auch die Schwachstellen unserer Kirche erleben wir hier recht deutlich. So werden Mitchristen mit Regenbogenfahnen mit Verweis auf ihre Unchristlichkeit beleidigt, bestohlen und bedroht. Wiederum ein sehr unchristliches Verhalten. Da gibt es bei einschlägigen Formaten keine Möglichkeit der offenen Diskussion, da nur eine Meinung zugelassen wird. Und in den Medien wird über den Abschlussgottesdienst berichtet, dass es schön ist wie 10.000 Priester mit dem Papst die Messe feiern, ohne die 1,5 Millionen Menschen überhaupt zu erwähnen (um die es eigentlich beim Weltjugendtag geht). Da regt es mich wieder auf und ich frage mich, was ich überhaupt hier mache.
Aber es geht! Immer wieder sieht man alle, in direkter Nachbarschaft miteinander ihren Glauben feiern. So ist es bei der Anbetung allen egal, dass der Nachbar von Regnum Christi, von Jugend 2000, von Schönstatt, aus Deutschland, Portugal, Tonga oder Australien ist und welche Flagge von Regenbogen bis Vatikan umgehängt ist. Es gibt viele Priester und auch einige Bischöfe die gemeinsam den Weltjugendtag mit den jungen Menschen erleben wollen, mit ihnen ins Gespräch kommen möchten und sich nicht nur mit extra Charterbussen von Papstevent zu Papstevent fahren lassen.
Es gibt immer wieder Gesprächsrunden, die deutlich machen, dass man unterschiedlicher Meinung ist und dies auch klar so kundtun darf, die aber dennoch von gegenseitigem tiefen Respekt geprägt sind.
Kurzum: Es geht!
Die Vision der Kirche des Weltjugendtags, ist eine, für die ich mich voller Freude einsetzten kann und für die ich auch bereit bin einen langen Weg zu gehen.
Alexander Paul, Abteilungsleiter Caritas Pforzheim
Bild: A. Paul