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Uhr mit Pendel

Gertrud Pollak

Pendelsicherheit

28.10.2020

Auf Bahnhöfen und in öffentlichen Räumen blinken digitale Zeitmesser. In unseren privaten Kontexten sind es einfach Zifferblätter, die ihre Zeitaussagen präzis über Funk vermitteln. Wo gibt es sie noch – diese nicht elektronischen Uhren, mit einem beweglichen Pendel? In vernehmbarem Takt wandert das Pendel von links nach rechts und zurück. Der leise Schwenkton beruhigt und wenn die Uhr laute Töne von sich gibt, kann man erkennen, welche Stunde geschlagen hat. Das Pendel ist sicher aufgehängt, Halt und Bewegung in einem.

Ich kenne eine solche Uhr nur bei Bekannten; aber mich beeindruckt die Ruhe und irgendwie – trotz Uhr – auch deren Zeitlosigkeit. Nur von dort her kann ich mir vorstellen, was da gemeint ist mit dem, was ich in verschiedenen Zusammenhängen zur „Pendelsicherheit“ gelesen habe. „Wir können uns noch so sehr sichern, über Nacht kann alles zerschlagen sein. Ich kann einen gesicherten Posten haben, morgen kann ich hinausgeworfen werden“, heißt es in einem Exerzitientext von 1946, den ich in diesen Tagen las. Wie viele Menschen erleben das auch jetzt – 2020?

Die Frage nach dem, wo Menschen, wo wir, in diesen Zeiten zutiefst Sicherheit und Geborgenheit finden, ist keine Frage nach einer Kür. Existentielle, ganz persönliche Fragen bedrängen täglich. Sorglose, stille Ruhe gibt es nicht oft. Eher passt dieses Bild vom Pendel – von Bewegtheit und Ausschlägen, die fehlgehen könnten – wäre da nicht diese sichere Befestigung, der Halt: Pendelsicherheit!

Das Leben, jeder Tag, bringt Schwingungen, Bewegungen mit großer Amplitude – mit Unsicherheiten und Ängsten. Was die Stunde schlägt, kann hart sein und unverständlich. „Sicherheit hat der Mensch nicht in den Dingen der Welt, auch nicht in Gesetzen und Gebräuchen“, heißt es im Exerzitientext weiter: „Sicherheit gibt es nur oben in der Hand Gottes. Der wagemutige Mensch weiß überall den Lebensplan Gottes zu sehen und sich einzugliedern.“

Ein hoher Anspruch, ein tiefer Trost – aber auch ein vorstellbar gangbarer Weg! Wir können nicht mit einer Ruhe rechnen ohne Verunsicherung in diesen Monaten – vieles ist im Fluss, ist angefochten und unklar im Blick auf die Zukunft. Politik und Kirche mögen Grenzen zeigen oder sie gar erreichen – individuell bleibt diese Chance, die aber Entscheidung fordert: Pendelsicherheit in Gott.

Den Schwingungen der Zeit und der aktuellen Unsicherheiten nicht ausweichen, nicht tun, als ob es Zweifel, Verwirrung und Unklarheiten nicht gäbe! Sicherheit gibt es nicht ohne Entscheidung für mehr, als Menschen bieten. Pendelsicherheit suchen im Glauben an einen Gott, der mitgeht – der Schwingungen, Ausschläge an Zweifel und Unklarheiten begleitet. Das Pendel braucht Anknüpfungspunkte, braucht Halt in Gott. Wir müssen uns entscheiden. Sicherheit als Ruheposten gibt es gewiss nicht, in diesen Tagen. Aber Halt in unserem Gott des Lebens, der alle unsere Wege kennt und „pendelnd“ mitgeht – das ist bewegte Sicherheit, Pendelsicherheit! In den Exerzitien heißt es weiter: „Der Sinn der Ungesichertheit ist letzten Endes eine Pendelsicherheit auf der höheren Ebene, die Pendelsicherheit in Gott.“

Dr. Gertrud Pollak, Mainz
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt


                                     Foto: pixabay.com
Die Texte aus: J. Kentenich, Kampf um die wahre Freiheit, 1946.

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