Hubertus Brantzen
Die Würde des Menschen
25.09.2024
Am vergangenen Sonntagabend stand ich auf einem Bahnhof und sah mir auf meinem Handy die Ergebnisse der Wahl in Brandenburg an. Ein neben mir stehender junger Mann schaute mich fragend an. In akzentfreiem Deutsch fragte mich der eindeutig nach Migration aussehende Mann: „Und was sagt das ZDF zur Hochrechnung?“ Ich verkündete ihm die Ergebnisse. Sichtlich erleichtert, aber doch etwas abwartend kommentierte er: „Was ein Glück!“ Mir wurde deutlich, dass er auf eine Kommentierung meinerseits wartete. Als ich ihm auch meine Erleichterung signalisierte, strahlte er über das ganze Gesicht.
Was ist das doch inzwischen ein zerrissenes Land! So ging es mir bis in die Nacht hinein durch den Kopf. Auf der einen Seite junge Menschen, die in diesem Land beheimatet sind und doch zu Fremden abgestempelt werden. Auf der anderen Seite junge Menschen, die eine Partei wählen, deren Ziel eine sogenannte Remigration dieser „Fremden“ in das Herkunftsland ist und die mit zum Teil menschenverachtenden Parolen auf Wählerfang gehen.
Man kann nun über verunglückte politische Strategien und bessere Lösungen zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme diskutieren. Entscheidendes Kriterium dabei ist die Wahrung der Würde jedes Menschen, was sich nicht zuletzt in der Sprache ausdrückt. Wer etwa, wie auf Wahlplakaten zu lesen war, „die Grünen an die Ostfront“ schicken möchte, greift politische Gegner an, um jene Fremden zu treffen. Und wenn eine Plattform wie Amazon T-Shirts mit diesem Aufdruck anbietet, dann ist menschenverachtende Aggression wirklich mitten in der Gesellschaft angekommen.
Das christliche Gegenkonzept lautet: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ (Gal 3,28.) Und das gilt nicht nur in dem Sinn, dass Christen sich untereinander verstehen sollen, sondern als Aussage, dass Jesus Christus Einheit stiften wollte und will unter allen Menschen. Das hat Konsequenzen für jedes Handeln, das Handeln von Mensch zu Mensch sowie das Handeln in Gesellschaft, Staat und Politik.
Hubertus Brantzen, Mainz
Foto: NoName_13 auf Pixabay