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Spielsteine eines Scrabble-Spiels zeigen die englischen Worte: listen, learn, love.

Ralph Poirel

Die Weltkirche – Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft

15.11.2023

In diesen Tagen hat der Heilige Vater den US-amerikanischen Bischof Joseph Strickland von Tyler in Texas des Amtes enthoben. Schon lange gab es Spannungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Bischof Strickland. Schwierige und langwierige Prozesse haben hier miteinander stattgefunden und am Ende sah wohl der Heilige Vater keine andere Lösung.

Dies sind sehr seltene Vorkommnisse. Denn Bischof Strickland hat m.E. kein Geld veruntreut oder Missbrauchsfälle in seinem Bistum falsch administriert. Der Dissens zwischen ihm und dem Heiligen Stuhl, gerade auch im Verständnis von Kirche und Theologie war so groß geworden, dass hier die Einheit durch ihn nicht mehr gewährleistet werden konnte.

Das Amt des Bischofs ist ganz wesentlich Einheitsamt. Einheit mit den Christen in seinem Bistum, mit seinem Klerus, mit den anderen Bischöfen in seiner Metropolie und in der Bischofskonferenz, aber auch darüber hinaus Einheit mit der Weltkirche insgesamt und mit dem Heiligen Vater. Diese Aufgabe der Christenheit zur Einheit wird im Bischof gleichsam Amt. Sie ist natürlich ein Auftrag, der an jeden Christen gerichtet ist.

Die deutschen Bischöfe haben in ihrem Dokument „Allen Völkern sein Heil“ vor einigen Jahren die Weltkirche insgesamt als Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft“ beschrieben. In diesem Dreischritt soll die Einheit in der einen Weltkirche vorangetrieben und erhalten werden. Das erste ist dabei tatsächlich die Lerngemeinschaft, d.h. das Lernenwollen, das Hörenwollen auf die anderen. Damit aber auch das Wissen um deren Situation und Schwierigkeiten. Dies ist deshalb die Voraussetzung zur Einheit, da wohl nur derjenige, der um den anderen weiß, auch entsprechend ihm im Gebet verbunden sein kann und tatkräftig helfen kann. Es geht also auch deshalb bei Franziskus immer wieder um das Hören, weil dieses Hören und das Verstehen und das Wissen umeinander, eben diese weltkirchliche Lerngemeinschaft, die Voraussetzung ist für alle weiteren Schritte, um miteinander in aller Vielfalt, in allem Reichtum der unterschiedlichen Ortskirchen doch die Eine Kirche bleiben zu können. Dazu braucht es Geduld, wie sie sich eben auch in einem nunmehr zweijährigen Weltsynoden-Prozess zur Synodalität zeigt.

Wer sich aber auf diesen Lernprozess grundsätzlich nicht einlassen will und davon ausgeht, dass er eigentlich alles schon weiß oder die Wahrheit und das Wissen um sie bereits ein für alle Mal abgeschlossen sind, der tritt aus dieser lebendigen Lerngemeinschaft, die die Weltkirche ist, aus. Miteinander in dieser Kirche synodal auf dem Weg zu bleiben, heißt daher die eigene Lernbereitschaft niemals aufzugeben und gut ignatianisch immer davon auszugehen, dass die Mitschwester und der Mitbruder im Glauben vielleicht schon mehr vom Evangelium verstanden haben als ich. Dass sie mehr recht haben könnten als ich. Dass sie vielleicht schon etwas mehr gelernt haben als ich.

Den Aufruf der deutschen Bischöfe, dass sich weltkirchliche Gemeinschaft eben gerade in der Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft realisiert, gilt es daher in diesen Tagen, in denen uns Papst Franziskus dazu aufruft, Synodalität vertieft zu verstehen, neu zu leben. Hören wir daher aufeinander, beten wir für einander und lassen wir dann aus Gebet und Achtsamkeit Solidarität und Handeln wachsen zum Aufbau von Kirche und Gesellschaft.

Dr. Ralph Poirel, Bonn
Leiter des Bereichs Pastoral bei der Deutschen Bischofskonferenz


                                            Foto: Brett Jordan auf Unsplash.com

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