Alexander Paul
Sprachfähig bleiben
17.01.2024
Wie können wir als Christen kommunikativ im Kontakt mit der Gesellschaft bleiben? Das ist wohl eine Frage, die sich besonders im Angesicht des schwindenden Einflusses der Kirchen heutzutage viele stellen.
Im vergangenen Dezember durfte ich als Gast der Schönstatt-Mannesjugend (SMJ) Deutschland einen faszinierenden Prozess miterleben. Die SMJ, deren Selbstverständnis in den „Fünf Säulen der SMJ“ niedergeschrieben ist, diskutierte, wie man eine ihrer Grundsäulen – die Säule „Mannsein“ – in die heutige Zeit übertragen kann. Die bisherige Wortwahl war bereits einige Jahre alt und irritierte immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene. Sie nährte die zunehmend die Frage, ob die Säule denn noch relevant und zeitgemäß sei. Die Reflexionen gründeten in einer Anfrage zur Anpassung der Texte, die sowohl auf sprachliche Formulierungen als auch die kontinuierliche inhaltliche Weiterentwicklung unter Einbezug neuer theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zielte.
Diesen Prozess habe ich als äußerst wertvoll wahrgenommen, weil er sich ernsthaft mit der Weiterentwicklung der SMJ-Grundlagen auseinandersetzte, in denen ich aufgewachsen bin. Die Gespräche dazu waren nicht aus einer oberflächlichen Intention heraus, dem Druck von außen gerecht zu werden. Vielmehr wurde aus Überzeugung tiefgründig und inhaltlich diskutiert.
Ein offensichtliches Beispiel für die Veränderung ist etwa, dass wir heute das Wort „Grenzüberschreitung“ nicht mehr als positive Lernerfahrung betrachten. Auch stellte sich die spannende Frage, wie die SMJ den Begriff „Männerkultur“ verstehen will, wo diese doch in unserer Zeit eher negativ mit Alkohol-Wanderungen am Vatertag oder mit Machogehabe in Verbindung gebracht wird. Für mich war dies ein gelungenes Beispiel dafür, wie sprachliche und zeitliche Veränderungen nicht nur ertragen oder akzeptiert, sondern auch inhaltlich genutzt werden können.
Wenn wir uns deshalb als Christen damit beschäftigen wollen, wie wir nach außen sprachfähig werden oder bleiben können, so müssen wir selbst zunächst einmal ein tieferes Verständnis von den Texten und deren Intentionen gewinnen. Nur wenn wir uns gründlich mit dem Inhalt beschäftigt haben, können wir ihn ohne Wertverlust angemessen ins Heute übertragen.
Nun sprechen wir mit dem Säulentext von einer Grundlage die „erst“ zum 01.01.2000 verfasst wurde. Und selbst dieser ist im heutigen Sprach- und Denkgebrauch in mancherlei Hinsicht überholt, ohne dass er inhaltlich an Relevanz verloren hätte. Wie viele Texte und Grundlagen nutzen wir in der Kirche unverändert weiter, die weitaus älter sind? Das Problem liegt eben darin, dass ihre Inhalte und Botschaften zwar nach wie vor relevant für unsere Gesellschaft wären, aber aufgrund sprachlicher Barrieren nicht vermittelt werden können.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns an der Schönstattjugend ein Beispiel nehmen. Beschäftigen wir uns intensiv mit unseren Grundlagen und unseren Werten, reichern wir sie an mit neusten Erkenntnissen und übersetzen wir sie ins heute. Denn so bleibt unsere Botschaft genauso stark und wichtig wie vor 2000 Jahren.
Alexander Paul, Abteilungsleiter Caritas Pforzheim
Foto: www.smj-deutschland.de