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Umarmung

Hubertus Brantzen

Am Ende des Jahres – Friede auf Erden?

21.12.2022

In diesen Tagen werden vor laufender Kamera bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten gefragt, was im zu Ende gehenden Jahr für sie das Wichtigste gewesen sei. Intuitiv stellen sich wohl viele Zuschauerinnen und Zuschauer die gleiche Frage, denn ein solcher Rückblick drängt sich nach einem ereignisreichen Jahr auf, auch wenn man nicht vor der Kamera und im Rampenlicht steht.

Für mich ist das Wichtigste zweifellos der Krieg in der Ukraine, der in sich und mit seinen Folgen für die ganze Weltgemeinschaft eine Katastrophe darstellt. Weniger Heizung und Strom bei uns bereiten vergleichsweise kleine Probleme zu dem, was die Menschen in dem osteuropäischen Land durchleben müssen. Das Schlimmste an diesem Krieg ist für mich, dass auf lange Sicht das Vertrauen zerstört ist, man könne mit der Vernunft der Machthaber und mit der politischen und wirtschaftlichen Verflechtung der Völker rechnen. Nein, ein blindwütiger, aber mächtiger Mensch reicht offenbar aus, um diese Weltgemeinschaft ins Chaos zu stürzen.

Trotz allem feiern alle Beteiligten Weihnachten, die meisten Christen am 25. Dezember, die orthodoxen Christen am 7. Januar, auch die der vom Krieg betroffen Länder. Und alle, auch die Nichtchristen, werden die Botschaft hören: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ In diesem Jahr wird diese Botschaft wohl eher ein Hoffnungsschrei sein, eine Verkündigung von Frieden – gegen die Realität des Krieges. Besonders schmerzlich ist dabei die Erfahrung, dass ein Teil dieser Christen den Krieg mit frommen Sprüchen befeuert.

So wird der Krieg zu einem „Zeichen der Zeit“, dessen Sinn unter den Augen Gottes nur schwer zu finden ist. Vielleicht kann jene Doppelbotschaft eine Spur sein, einen Sinn zu ahnen: Es wird nicht nur Friede auf Erden verkündet, sondern zugleich die Ehre Gottes in der Höhe. Gibt es einen Zusammenhang zwischen gelingendem Frieden unter den Völkern und dem Bemühen der Menschen, Gott die Ehre zu geben?

Gegen diesen Zusammenhang spricht die Erfahrung der Geschichte, dass kriegführende Menschen kurz innehalten, um tränenreich Weihnachtslieder zu singen und anschließend wieder mit Bajonetten aufeinander loszugehen. Doch genau das ist ein Hinweis, dass mit der Gottesverehrung etwas nicht stimmt. Die weihnachtliche Gottesverehrung könnte zu einem Brauchtum und einer Gefühlsaufwallung verkommen sein, die nicht Gott, sondern nur noch den Menschen die Ehre gibt. Auch das ist nämlich ein Teil der Botschaft: Die Friedenverheißung gilt „den Menschen seines Wohlgefallens“.

So müssen wir uns am Weihnachtsfest die kritische Frage gefallen lassen: Haben wir die notwendige Balance zwischen dem Frieden unter den Menschen und einer Gottesverehrung, die sich nicht in alten und neuen Ritualen und frommen Weihnachtswünschen erschöpft, sondern zwischenmenschlich, gesellschaftlich und politisch Maßstäbe setzt, Maßstäbe, die die Menschen alleine nicht einhalten und sichern können.

 

Für das Basis-Team: Hubertus Brantzen


                      Foto: Gennaro Leonardi – pixabay.com

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